Wissensmanagement zwischen Dokumentation, Talenten und Vielfalt
Dass Wissensmanagement ein entscheidender Erfolgsfaktor für Organisationen ist, wird heute kaum mehr bestritten. Doch allzu oft reduziert sich die Praxis auf die Einführung von IT-Systemen oder die Dokumentation von Prozessen. Damit bleibt ein wesentlicher Teil des menschlichen Potenzials ungenutzt – nämlich die Talente, Erfahrungen und Sichtweisen, die jenseits der offiziellen Rollenbeschreibungen liegen.
Klassisch unterscheidet man zwischen explizitem Wissen – Prozessen, Daten, Handbüchern – und implizitem Wissen, das sich nur schwer verschriftlichen lässt und durch Beobachtung, Dialog oder gemeinsames Arbeiten weitergegeben wird (Polanyi, 1966). Wissensmanagement bedeutet, beide Formen nutzbar zu machen: das explizite Wissen zu sichern und das implizite Wissen durch Austausch zu übertragen.
Doch damit ist nur ein Teil der Aufgabe beschrieben. In jedem Unternehmen arbeiten Menschen mit einer Vielzahl von Kompetenzen und Erfahrungen, die in keinem Organigramm auftauchen. Der Ingenieur, der in seiner Freizeit Software programmiert. Die Kollegin aus der Buchhaltung, die durch ihr ehrenamtliches Engagement über fundierte Moderationserfahrung verfügt. Der Vertriebsmitarbeiter, der in seiner Jugend Leistungssport betrieben hat und dadurch Disziplin und Resilienz mitbringt. All diese „verborgenen Schätze“ bleiben häufig unsichtbar – und damit ungenutzt.
„Alles und jeder hat Bedeutung – eine der mächtigsten Kräfte für Innovation und Erneuerung steckt in der Vielfalt.“ (Weil es ums Ganze geht, Ralf Schollenberger, novum Verlag m Verlag). Dieses Prinzip gilt in der Natur ebenso wie in Organisationen. Ein Wolfsrudel ist erfolgreich, weil jedes Tier – unabhängig von Fellfarbe oder Neigung – mit seinen Stärken und Schwächen zum Überleben der Gemeinschaft beiträgt. Respekt und Begabung zählen, nicht Etiketten oder Stellenbeschreibungen.
Forschung bestätigt diesen Zusammenhang: Diverse Teams entwickeln bessere Lösungen, weil sie unterschiedliche Perspektiven einbringen (Page, 2007; Stahl et al., 2010). Vielfalt fördert Kreativität, Problemlösungskompetenz und Innovationsfähigkeit. Anders gesagt: Die Natur ist immer dann erfolgreich, wenn Vielfalt eine Chance bekommt.
Wie in der Forschung, so auch im Unternehmensalltag lassen sich drei wesentliche Säulen beschreiben:
Menschen – die richtigen Expertinnen und Experten identifizieren, auch jenseits der offiziellen Rolle.
Informationen – Daten und Erfahrungen dokumentieren und zugänglich machen.
Orte – Wissen und Talente dort sichtbar machen, wo sie gebraucht werden: in Projekten, Teams und Entscheidungen.
Digitale Plattformen, Dokumenten-Management-Systeme und Kollaborationswerkzeuge sind wichtige Hilfsmittel. Sie sorgen dafür, dass Informationen nicht verloren gehen und Experten auffindbar werden. Die gr8progress GmbH zum Beispiel setzt auf inside workspace GmbH Workspace. Doch Technik allein reicht nicht aus. Es braucht eine Kultur des Teilens, in der Wissen und Vielfalt geschätzt, gefördert und versteckte Talente erkannt werden.
Führungskräfte tragen dabei besondere Verantwortung: Sie müssen nicht nur Systeme etablieren, sondern auch Räume für Begegnung, Austausch und Entfaltung schaffen. Studien zeigen, dass psychologische Sicherheit – also das Gefühl, ohne Angst vor negativen Konsequenzen Ideen einzubringen – eine zentrale Bedingung für Wissensaustausch ist (Edmondson, 1999).
Schon seit Jahrhunderten sichern Bibliotheken Informationen, und seit jeher wird Wissen im Dialog weitergegeben. Neu ist die Verbindung von bewährten Methoden mit den Möglichkeiten moderner IT – und die Erkenntnis, dass das größte Potenzial in der Vielfalt der Menschen liegt.
Wer Wissensmanagement nicht nur als Technik, sondern als Haltung versteht, öffnet den Weg zu Innovation und Erneuerung. Erst wenn wir die verborgenen Talente und Perspektiven in unseren Teams heben, wissen wir wirklich, was wir wissen.
Edmondson, A. (1999). Psychological safety and learning behavior in work teams. Administrative Science Quarterly, 44(2), 350–383.
Nonaka, I., & Takeuchi, H. (1995). The Knowledge-Creating Company. Oxford University Press.
Page, S. E. (2007). The Difference: How the Power of Diversity Creates Better Groups, Firms, Schools, and Societies. Princeton University Press.
Polanyi, M. (1966). The Tacit Dimension. Doubleday.
Stahl, G. K., Mäkelä, K., Zander, L., & Maznevski, M. L. (2010). A look at the bright side of multicultural team diversity. Scandinavian Journal of Management, 26(4), 439–